Sexualität und Affären
Kennen Sie jemanden, der sich nicht etwas wehmütig an „den heißen Anfang“ einer Beziehung zurückerinnert bzw. -sehnt? Das Erobern, der Reiz der Verführung, das Begehren des Fremden, die Neugier aufs Unbekannte – es gibt kaum etwas körperlich und geistig Stimulierenderes als die ersten Wochen bzw. Monate der Verliebtheit. Wer diese intensiven, Glück spendenden Erfahrungen als Messlatte für die Sexualität einer langjährigen Partnerschaft nimmt, muss enttäuscht werden.
Eine der größten Herausforderungen einer langjährigen Partnerschaft ist die Entwicklung der Sexualität von Quantität zur Qualität und von Leidenschaft zur Intimität. Doch gerade Menschen, die mit Intimität Probleme haben (siehe auch „Nähe und Distanz“), bleiben auf der Suche - insb. der Suche nach Leidenschaft, die sich zunehmend weniger mit den Sorgen und Nöten eines Beziehungsalltags vereinbaren lässt. Der einzige Ausweg scheint eine Außenbeziehung zu sein, die umgangssprachliche „Affäre“. Dort lässt sich der Kick der Anfangszeit wiederfinden, dort kann die Sehnsucht nach leidenschaftlichem Begehren sowie Neugier und Erlebnishunger neue Nahrung finden. Auf der anderen Seite kann „Untreue auch Treue zu sich selbst sein“, wie zumindest die renommierte schweizerische Paartherapeutin Rosemarie Welter-Enderlin meint.
Manche Affären bleiben ein Leben lang ein Geheimnis. Andere jedoch werden vom Partner entdeckt oder vom „Fremdgehenden“ selbst eingestanden. Wie weiter, ist dann meist die Frage, die sich für beide Seiten oft sehr unterschiedlich stellt. Während beim einen u.a. der Umgang mit der erlittenen Verletzung im Vordergrund steht, fühlt sich der Andere vielleicht hin- und hergerissen zwischen der Sicherheit des Vertrauten und dem Reiz des Neuen. Dies gilt umso mehr, wenn die Außenbeziehung noch nicht beendet ist. Aber unabhängig davon, wissen beide Partner häufig nicht, welche positiven Gefühle für den Anderen überhaupt noch vorhanden sind.
In dieser Situation steht die Ehe/Partnerschaft vor einer grundlegenden Neuorientierung. Diese kann zu einer Erneuerung der Beziehung, ja im besten Fall sogar zu einem tieferen Verständnis des jeweils Anderen führen. Das Ergebnis kann aber auch sein, dass sich die Wege trennen. Für diese Neuorientierung ist professionelle Unterstützung meist hilfreich, um das Gefühlschaos zu ordnen, Verletzungen zu thematisieren sowie die jeweiligen Erwartungen und Bedürfnisse weitgehend vorwurfsfrei zur Sprache zu bringen.